Die Ergo- und Physiotherapeut*innen an den Hamburger Schulen sind zutiefst empört darüber, dass sie im aktuellen Tarifabschluss wieder schlechter behandelt werden als die Erzieher*innen an ihren Schulen. Gleichzeitig nimmt die Arbeitsbelastung für diese Berufsgruppe immer weiter zu.
Sie fordern, dass die Verbesserungen für den Sozial- und Erziehungsdienst auch für Ergo- und Physiotherapeut*innen an Hamburger Schulen gelten: Eine Hamburger Lösung!
Bei den Tarifverhandlungen für den TVL vor zwei Jahren war eine der großen Forderungen, dass der Sozial- und Erziehungsdienst aufgewertet wird.
Auch an den Hamburger Schulen war die Warnstreikbeteiligung hoch. Viele Erzieher, Ergotherapeutinnen, Physiotherapeuten und Sozialpädagoginnen sind für diese Forderung gemeinsam auf die Straße gegangen. Seit Jahren werden diese Berufsgruppen von der BSB unter dem Label „Pädagogisch-Therapeutisches Fachpersonal“ (PTF) zusammen geführt und hinsichtlich der Rahmenbedingungen ihres Arbeitseinsatzes ähnlich behandelt.
Im Verhandlungsabschluss 2017 wurde dann eine monatliche Gehaltszulage für Sozialpädagog*innen in Regeltätigkeit (100€) und Erzieher*innen (80€) erkämpft. Die Empörung war groß, weil die Ergo- und Physiotherapeut*innen diese nicht erhielten – ebenso wie Sozialpädagog*innen mit koordinierenden Tätigkeiten an Schulen und soz.päd. Assistent*innen.
Die dazugehörige Erklärung für die fehlende Berücksichtigung dieser Berufsgruppen ist, dass „PTF-Personal“ halt kein Begriff aus dem TVL ist. Deshalb bedürfe es einer gesonderte Abrede, damit so eine Zulage auch für Ergo- und Physiotherapeut*innen an Schulen gilt. Dies mag ja formal richtig sein.
Inhaltlich war und ist dies für die Kolleg*innen in keinster Weise nachvollziehbar. Gemeinsam werden die Schüler und Schülerinnen von den Kolleg*innen in der Schule betreut und gepflegt. Wie selbstverständlich werden alle PTF-Kolleg*innen von der BSB mit einer gemeinsamen Arbeitszeitregelung bedacht. Nur wenn es ums Geld geht, macht die Behörde wieder Unterschiede.
Auch wenn es eine große Unzufriedenheit über diesen Zustand gab, hatten wir Ergo- und Physiotherapeut*innen in den letzten zwei Jahren genug weitere Themen, mit denen wir uns beschäftigen mussten.
- Im Sommer 2018 wurde die Dienstzeitregelung und die dazugehörige Dienstanweisung für das PTF-Personal veröffentlicht. Deren Entstehung war von vielen Kolleg*innen kritisch begleitet worden.
- Seit 2017 wird an den speziellen Sonderschulen für körperlich-motorische Entwicklung die Eintourigkeit umgesetzt. D.h., dass alle Schüler und Schülerinnen im Gegensatz zu früher zur gleichen Zeit kommen und gehen. Damit verbunden ist auch eine längere Anwesenheit der Schüler und Schülerinnen. Die Ressource an Personal ist an den Schulen aber gleich geblieben. Dies führt natürlich zu einer Arbeitsverdichtung für alle Kolleg*innen. Neue Therapie- und Unterrichtsformen müssen entwickelt werden, um mit dieser Ressource nun auszukommen.
- Seit Beginn des Schuljahres 2018/2019 sind die Ergo- und Physiotherapeut*innen der speziellen Sonderschulen auch landesweit für die Versorgung der Schüler und Schülerinnen in der Inklusion zuständig. Inhaltlich sicherlich eine richtige Entscheidung. Leider bedeutet sie eine immense Arbeitsbelastung für die Kolleg*innen. Sie müssen nun Konzepte für die Therapie an den unterschiedlichen Schulen entwickeln und haben mehrere Arbeitsplätze und viel mehr Kolleg*innen, mit denen sie sich absprechen müssen.
Durch diese vielen anderen Themen tauchte die Forderung nach der SUE-Zulage für alle PTF-Kolleg*innen zwar bei passender Gelegenheit immer wieder auf. Im Endeffekt setzte es sich bei den Kolleg*innen und der GEW Hamburg aber durch, dieses Thema erst bei den Tarifverhandlungen 2019 weiter zu verhandeln.
Dies wurde schon im Vorfeld der Verhandlungen von der GEW Hamburg geplant:
Mit mir schickte die GEW Hamburg einen Physiotherapeuten in die Bundestarifkommission der GEW. Dort stellte ich fest, dass es in Niedersachsen auch angestellte Ergo- und Physiotherapeut*innen an Schulen und in Baden-Württemberg an schulischen Internaten gibt, die ähnlich sauer über die aktuelle Situation sind und so formulierten wir unsere Forderungen deutlich.
Die Beteiligung an den Warnstreiks an den Hamburger Schulen war für viele überraschend hoch. (Warum eigentlich, gibt ja im Moment genug Themen, für die es sich lohnt auf die Straße zu gehen. Man sehe sich nur noch einmal meine kleine Aufzählung oben an.)
Bei diesen Warnstreiks in Hamburg waren wir Ergo- und Physiotherapeut*innen sehr aktiv und, obwohl es nicht viele an den Schulen gibt, nicht zu übersehen. Dafür hatten wir mit eigenen Schildern und z.T. einheitlicher Kleidung gesorgt.
Es gab spezielle Reden zur Situation der Therapeut*innen auf den Kundgebungen und unsere Vorsitzende, Anja Behringer Stolze, bezog in ihrer Rede am ersten Warnstreiktag deutlich Stellung.
Auch wenn sich gerade die GEW Hamburg sehr für die Ergo- und Physioherapeut*innen einsetzte, war es am Ende allerdings wieder nicht möglich, sie in diesem bundesweit gültigen Tarifvertrag in den SUE- Bereich einzubinden. Während der Sozial- und Erziehungsdienst jetzt sogar eine eigene Tabelle mit zum Teil deutlichen Verbesserungen bekommt, bleiben die Therapeut*innen außen vor.Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Ergo- und Physiotherapeut*innen tarifrechtlich zu den Geszundheitsberufen zählen und nicht, wie die Erzieher*innen an den Schulen als ihre direkten Kolleg*innen zum Sozial- und Erziehungsdienst. Während die Eingruppierungsregelungen für estere im Abschnitt 10 der Entgeltordnung des TV-L zu finden sind, wurden die Verbesserungen für letztere im Abschnitt 20 der Entgeltordnung TV-L niedergeschrieben. Die Folge: auch pädagogisch an Schulen arbeitende Ergo- und Physiotherapeut*innen profitieren aus tariftechnischen Gründen nicht von der Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienst.
Auch wenn wir Ergo- und Physiotherapeut*innen uns für die Kolleg*innen freuen mögen, dass es die eigene Tabelle für den SUE-Bereich gibt, ist es für uns besonders bitter, dass wir außen vor bleiben.
Viele Kolleg*innen fühlen sich dort von ihrem Arbeitgeber nicht gesehen und zum Teil auch von ihrer Gewerkschaft nicht wirklich gut vertreten! Ergo- und Physiotherapeut*innen an Schulen arbeiten in hohem Maße auch pädagogisch, eng eingebunden in das pädagogische Konzept der Schule. Dass sie nun zukünftig bis zu etwa 500€ brutto weniger als die Erzieher*innen verdienen sollen, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar und empört und kränkt uns zutiefst.
Und nun?
Für mich ist nun klar, dass es schwer wird, eine bundesweite Regelung für die Einbindung der schulischen Ergo- und Physiotherapie in den SUE-Bereich zu bekommen. Als Therapeut*innen im Schuldienst waren wir in der Tarifrunde sichtbar und haben in der Bundestarifkommission Position bezogen. Die spezielle Eingruppierungsproblematik unserer Berufsgruppe wurde von der GEW-Verhandlungsgruppe in die Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebervertretern der TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder) eingebracht – leider vergeblich, wie sich die Verhandler vor der Bundestarifkommission in Potsdam rechtfertigten.
Wenn für unsere kleine Berufsgruppe trotzdem nichts dabei rauskam, macht das deutlich, dass das auch längerfristig schwer wird. Gleichzeitig sind die nächsten Tarifverhandlungen erst in 2,5 Jahren!
So muss es jetzt gelingen, eine Hamburger Lösung zu finden, in der die etwa 80 Physio- und Ergotherapeut*innen an den staatlichen Schulen an den Sozial- und Erziehungsdienst finanziell angeglichen werden.
Gerade bei den neuen Anforderungen an die Kolleg*innen ist es auch für den Schulfrieden essentiell, dass sie angemessen bezahlt werden. Keine Schule kann es sich leisten, dass die Therapie-Kolleg*innen bei jedem Arbeitsauftrag sagen, dass das ja auch die Erzieher*innen machen können. „Diese werden ja auch dementsprechend bezahlt!“
Organisatorisch wird es auch immer schwieriger, neue Ergo- und Physiotherapeut*innen für die Schulen zu bekommen.
Die Stellen, die durch die neue therapeutische Versorgung in der Inklusion benötigt werden, konnten bis jetzt kaum besetzt werden.
Berufsverbände und Fachzeitungen berichten von einer richtigen Flucht aus dem Beruf (z.B.: https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/article/944709/gesundheitsberufe-viele-fachkraefte-erwaegen-ausstieg.html), weil er allgemein so schlecht bezahlt wird. So gehen viele junge Kolleg*innen direkt nach der sehr anspruchsvollen Ausbildung direkt in ein Studium, weil sie nicht bereit sind, diese hochqualifizierte Arbeit für ein so geringes Einkommen auszuüben.
Die Schulbehörde hat verstanden, dass die Ergo- und Physiotherapeut*innen zum Stammpersonal der Hamburger Schulen gehören. Sie hat diese Berufe inhaltlich und organisatorisch mit dem SUE-Berufen fusioniert und das Ganze „PTF- Bereich“ genannt. Jetzt ist sie auch in der Pflicht, sie dementsprechend zu bezahlen.
Die Fachgruppe PTF stellt dazu im Mai einen Antrag auf dem Gewerkschaftstag der GEW Hamburg, in dem sie fordert, dass die GEW die Aufwertung unserer Berufe gegenüber unserem Arbeitgeber einfordert.
Weitere Aktionen werden folgen.
Gleichzeitig sollte unsere Berufsgruppe in den unterschiedlichen Gremien der Schulen immer wieder auf diese Ungerechtigkeit hinweisen.
Wir alle wünschen uns ein gutes, gemeinsames, kollegiales Arbeiten an den Schulen. Dazu gehört es auch, die unterschiedlichen Situationen der Kolleg*innen wahrzunehmen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, bzw. diese von unserem Arbeitgeber einzufordern.
Wir Physio- und Ergotherapeut*innen werden keine Ruhe geben, solange wir nicht eine angemessene Aufwertung für unsere Berufsgruppe bekommen!
Bodo Haß, Physiotherapeut und einer der Sprecher*innen der Fachgruppe PTF in der GEW
Foto: GEW Hamburg