Die GEW unterstützt den Brief der Personalversammlung der Anna-Warburg-Schule.
Sehr geehrte Damen und Herren,
aus vornehmlich zwei Gründen wenden wir uns mit diesem Schreiben an Sie.
Zum einen sorgt uns, dass die Gefahr eines Virusausbruchs an einer beruflichen Schule für Sozialpädagogik ungleich höher ist als an anderen Schulen.
- Unsere Schülerinnen und Schüler gehören zu der Altersgruppe, die in Teilen eher sorglos mit den AHA-Regeln umgeht. Darüber hinaus sind sie als Praktikanten und Praktikantinnen wöchentlich in Kitas und sozialpädagogischen Einrichtungen (also weiteren Clustern) tätig, sodass aus annähernd 700 Hamburger Einrichtungen dort ggf. noch nicht erkannte Infektionen in die Schule getragen werden können.
- Diese Situation verschärft sich, sobald wir witterungsbedingt das Außengelände und das Niendorfer Gehege nicht mehr zum Unterrichten nutzen und der Unterricht ausschließlich in Klassenräumen stattfinden muss, in denen die Schülerinnen und Schüler -vor dem Hintergrund der Relation von Raumgröße und Anzahl der Schülerinnen und Schüler - häufig keinen angemessenen Abstand untereinander einhalten können.
Zum anderen sind uns im Verlauf der Pandemie so zahlreiche wie umfangreiche Aufgaben neu übertragen und zusätzliche Entwicklungsaufgaben im Bereich der Digitalisierung unaufschiebbar dringlich geworden, so dass die Arbeitsbelastung deutlich gestiegen ist.
Beides zusammengenommen verursacht beträchtliche Mehrarbeit, die in der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen nicht mitberechnet ist.
- Aufgrund der AHA-Regelungen müssen sehr viele Abläufe verändert und angepasst werden. Neue Dokumente, neue Regeln, neue Prozessbeschreibungen, neue Routinen müssen entwickelt, kommuniziert und durchgesetzt werden.
- Die Pandemie macht deutlich, dass von den Beschlüssen der KMK vom 08.12.2016 zur „Bildung in der digitalen Welt“ bisher in den Schulen wenig umgesetzt wurde. Jüngere Handreichungen der Hamburger Schulbehörde lesen sich in diesem Kontext wie eine Anweisung, dieses Versäumnis von heute auf morgen nachzuholen und den schulischen Digitalisierungsprozess unverzüglich voranzubringen. Grundsätzlich stehen wir dem offen gegenüber. Wir haben seit März intensiv digitale Prozesse angeschoben, WiBes genutzt und angepasst, uns Tools angeeignet, im Unterricht erprobt und evaluiert. Im Kontext von Qualitätsentwicklung greift eine Projektgruppe diese Prozesse auf, um sie in ein Medienkonzept einfließen zu lassen.
- Fundierte Konzepte und Prozessabläufe für Präsenz- und Distanzunterricht benötigen jedoch Entwicklungszeit und können nicht ausschließlich neben dem Präsenzunterricht und neben allen weiteren Aufgaben des Schulalltags entwickelt werden. Wir halten es selbstredend für sinnvoll, vorausplanend die Voraussetzungen zu schaffen, dass Distanzunterricht im Fall notwendig werdender Schulschließungen reibungslos ablaufen kann. Und wir halten es für angezeigt, die Schülerinnen und Schüler mit Komponenten des Distanzunterrichts vertrauter zu machen. All das bedeutet allerdings eine doppelte methodisch-didaktische Planung, eine weitere methodische Ebene in der Durchführung und eine aufwendige Nachbereitung der Unterrichte und somit einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand. Dieser ist jedoch nicht mit der LAZVO zu vereinbaren.
Eine schulinterne Evaluation unserer Schule zum Distanzunterricht während des Lockdowns hat ergeben, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil unserer Schülerinnen und Schüler weder eine funktionierende digitale Infrastruktur zu Hause zur Verfügung hat, noch über die notwendigen digitalen Grundkompetenzen verfügt. In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass weder die Schulen noch wir Lehrerinnen und Lehrer mit hinreichend aktueller Hardware und Software ausgestattet sind, um einen Distanzunterricht verlässlich durchzuführen.
Das Risiko, andere mit dem Covid19-Virus anzustecken und selbst angesteckt zu werden, existiert weiterhin.
Wir werden deshalb, ausgehend von der Situation bei uns vor Ort, bei der Umsetzung von Curricula und Bildungsplänen auf durch die Pandemie bedingte Veränderungen der Arbeits- und Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer reagieren. Dazu zählt für die Dauer der Pandemie auch die Verbindung von Distanz- und Präsenzunterricht - bis hin zum Halbgruppenunterricht.
Um einen verantwortungsbewussten Infektions- und Gesundheitsschutz an der BS 23 zu gewährleisten, fordern wir
- Blockpraxisphasen und Blockunterricht einzuführen und bitten in diesem Zusammenhang das HIBB, darauf Einfluss zu nehmen, dass den Schülerinnen und Schülern, die Aufstiegs-BAföG beziehen, daraus keine Nachteile erwachsen.
- zuverlässige Entlüftungssysteme sowie Messgeräte für CO2-Konzentrationen in Klassenräumen.
Um Distanzunterricht vorzubereiten, fordern wir eine gute technische Ausstattung und Infrastruktur, nämlich
- hinreichend digitale Endgeräte für die Arbeit in der Schule und zum Verleihen an Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer sowie zuverlässige Netzverbindungen.
Durch die vom HIBB beschlossenen Maßnahmen zum Hygienekonzept und die vielschichtige Vorbereitung auf den Unterricht haben sich die Aufgaben für uns Lehrerinnen und Lehrer deutlich erhöht. Die derzeitige Faktorisierung des Unterrichts und die Beschreibung der allgemeinen Aufgaben berücksichtigen diese neu erforderlichen Aufgaben nicht.
- Wir fordern daher für die Zeit der Pandemie eine pauschale Erhöhung der Faktorisierung von 0,3 WAZ pro Unterrichtsstunde.
Wir gehen davon aus, dass es Ihnen wie uns ein Anliegen ist, die Bildung der Schülerinnen und Schüler und die Personal- und Gesundheitsfürsorge in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.
Mit freundlichen Grüßen,
Die Personalversammlung der Anna-Warburg-Schule vom 14. September 2020