Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen sind geprägt von Zeitverträgen, unsicheren Berufsperspektiven und einer zunehmenden Arbeitslast. In Hamburg wurde, auch auf Grund zunehmender Aktivitäten insbesondere an der erziehungs- und der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Uni Hamburg, 2013 von Seiten der Behörde eine AG „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ eingerichtet, die gesetzliche Änderungen sowie einen „Code of Conduct“ (CoC) für die Hochschulen auf den Weg brachte. Seitdem steht im Hamburgischen Hochschulgesetz (HmbHG), dass für Daueraufgaben Dauerstellen vorzuhalten sind. Steter Tropfen höhlt den Stein. Heute leugnet niemand mehr die massiven Probleme. Verbesserungen werden in Aussicht gestellt – und erste, wenn auch kleinere, Erfolge sind erzielt.
Doch noch immer dominieren prekäre Stellen, wenn überhaupt auf Stellen und nicht auf Stipendien, Lehraufträgen oder „selbstfinanziert “ gelehrt und geforscht wird, und das im Gegensatz zum Leitbild „Stadt der Guten Arbeit“ und den Intentionen des CoC. Zugleich wurde dieser Prozess in ein Monitoring überführt. Angesichts der dramatischen Beschäftigungssituation reicht uns das allerdings nicht aus!
Wir setzen uns dafür ein, dass der Prozess weitergeführt wird und die AG weiterhin und vor allem regelmäßig tagt. Dies haben wir im letzten Jahr u.a. in einem Offenen Brief deutlich gemacht, der auch bei Anfragen verschiedener Oppositionsparteien zum CoC-Prozess angeführt wurde. Darüber hinaus haben wir mehrere Veranstaltungen, u.a. mit den wissenschaftspolitischen SprecherInnen der Bürgerschaftsfraktion sowie der Staatsrätin der Wissenschaftsbehörde, Frau Eva Gümbel, durchgeführt. Aus unserer Sicht besteht konkreter Regelungsbedarf von Seiten der Politik, für den nicht erst noch weitere Evaluationen abgewartet werden müssen. Die jahrelangen Fehlentwicklungen brauchen eine schnelle und intensive Aufarbeitung! Hilfreich dabei, Druck zu machen, waren sicher auch die Aussagen aller Bürgerschaftsparteien außer den Grünen, dass die Arbeit der AG CoC fortgesetzt werden müsse.
Die Rolle der Politik versteht die der AG vorsitzende Staatsrätin Frau Gümbel dagegen, wie sie bei einer GEW-Veranstaltung Ende 2017 verdeutlichte, als die der Mittlerin gegenüber autonomen Hochschulen, die die Personalplanung verantworten. Den Prozess des Code of Conduct sieht sie positiv und sieht nun die Hochschulen in der Pflicht, ihrer Selbstverpflichtung nachzukommen. Statt hier zeitnah nachzusteuern möchte sie erstmal das vereinbarte Monitoring abwarten, um den „Code wirken zu lassen“. Auf Grundlage dieses Monitorings „können die Themen zahlenbasiert begleitet werden, eine Entwicklung kann nachgehalten und einer Fehlentwicklung frühzeitig begegnet werden“. Das ist auch das Ziel der GEW. Zu Beginn der Sommerferien 2018 tagte nun endlich die AG wieder.
Wirkt der Code?
Im Zuge des Code of Conduct-Prozesses wurde der Satz in das HmbHG aufgenommen, dass „soweit überwiegend Daueraufgaben in Forschung oder Lehre wahrgenommen werden, […] hierfür Stellen zur unbefristeten Beschäftigung vorzuhalten“ sind, womit der Befristungspraxis immer dann ein Riegel vorgeschoben werden soll, wenn kontinuierlich zu erfüllende Aufgaben bewältigt werden müssen. In der Drucksache 20/10837 wird darüber hinaus festgehalten, dass die Hochschulen „Abweichungen von unbefristeter Beschäftigung bei Daueraufgaben und die Beschäftigungsformen regelmäßig evaluieren und darüber hochschulintern berichten“. Als Grundlage für eine Evaluation im Rahmen der AG Code of Conduct wurde ein Erhebungsraster (mehr von der Behörde vorgegeben, als gemeinschaftlich) vereinbart, in dem die Beschäftigten aufgeschlüsselt werden nach ihrer Stellenkategorie (§ 28 Abs. 1, 2 oder 3 HmbHG), Befristet/Unbefristet, sowie nach der gesetzlichen Grundlage ihrer Befristung. Auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen wäre bei Stellen mit Daueraufgaben nun eigentlich eine Entfristungsoffensive zu erwarten.
Auf der Suche nach einem geeigneten Erhebungsraster
Zu Beginn des Treffens wurde über eine angemessene Darstellungsform des Monitorings diskutiert. Während wir als GEW das vorliegende Zahlenmaterial nicht als Bericht, sondern maximal als Rohmaterial ansehen, sieht die Staatsrätin die Behörde nicht in der Pflicht, einen solchen vorzulegen. Es müsse dann auf Ebene der Hochschulen zwischen Beschäftigten und Leitungen um das Weitere gerungen werden. Somit lag es an uns, die Zahlen auszuwerten und sie vor dem Hintergrund der vereinbarten Ziele zu interpretieren.
Bei den von Seiten der Hochschulen jeweils vorgelegten Zahlen handelt es sich um die Zahlen der in der Zeit vom 1.12.16 bis zum 30.11.2017 jeweils neu abgeschlossenen Verträge. Es wird also nicht die jeweilige Gesamtheit des wissenschaftlichen Personals unterhalb der Professuren am Stichtag erfasst, wofür die jeweiligen Jahresberichte der Hochschulen hinzugezogen werden müssten. Möglich ist aber eine Darstellung von befristeten zu unbefristeten Stellen in der einzig entfristungsfähigen Kategorie der sog. 28_3-Stellen, vor allem in der Lehre. Gemessen an den politischen Ankündigungen zeigt sein ein höchst ernüchterndes Ergebnis: Wenn wir die vorliegenden Daten zu diesem Punkt aggregieren, liegt der Befristungsanteil z. B. an der Uni Hamburg selbst bei 28_3 (Lehre) bei knapp 17 Prozent. Da die Uni andere Befristungsgründe, die gerichtlich überprüft werden könnten, scheut wie der Teufel das Weihwasser, greift sie fast immer zum Mittel der sachgrundlosen Befristung (nach § 14 Abs. 2 TzBfG) für maximal 2 Jahre.
Qualifizierung auf Drittmittelstellen?
Von Seiten der Behörde wurde darauf verwiesen, dass es sich bei den sog. 28_1 (Promotion) und 28_2-Stellen (Post-Doc) um Qualifizierungsstellen handele und bei 28_3 (Wissenschaftliche Beschäftigte in der Forschung auf Drittmittel-Stellen sowie mit ausschließlicher Lehrtätigkeit) um nicht-qualifizierende Stellen. Von anderer Seite kam der Hinweis, dass auch auf 28_3-Stellen in der Forschung eine Qualifizierung durchaus möglich sei. Die GEW wies demgegenüber darauf hin, dass bei Beschäftigung nach 28_3 die aus guten Gründen nach 28_1 und 28_2 vorgesehenen Schutzmechanismen für Qualifizierungsstellen (mindestens drei Jahre für die Promotion; ein Drittel der Arbeitszeit für die eigene Qualifikationsarbeit) außer Kraft gesetzt seien und wir es hier also offensichtlich mit einer Umgehung der Leitlinien, die der Geist des CoC vorsehe, zu tun haben. Das große Dilemma bei den Drittmittel-Stellen ist die immer weiter steigende Abhängigkeit der Universitäten von Drittmitteln, die im Vergleich zu den inflationsbereinigt kontinuierlich schrumpfenden Landesmitteln enorm zugenommen haben. Diese Verschiebung in der Finanzierung führt dazu, dass immer mehr befristeten Promovierenden und Postdocs immer weniger Dauerstellen in Forschung und Lehre gegenüberstehen. Der Flaschenhals für eine dauerhafte Anstellung an der Uni wird also immer enger.
Ein Vertreter des Kanzlers erläuterte die Zahlen der UHH. Diese formuliert auch für Drittmittelstellen in der Regel Qualifizierungsziele gemäß den Vorgaben des WissZeitVG. Im Konfliktfall müssten Finanzierungsargumente allerdings gegenüber der Qualifizierung zurückstehen. Aufgrund der Abweichung der Summen in den vorgelegten Zahlenkonvoluten wurde zwischen den Hochschulen vereinbart, dass der finale Bericht und die künftigen Berichtsfassungen auch die jeweils auf zentraler Ebene angesiedelten WiMi-Stellen erfassen. Insbesondere für die UHH soll außerdem eine Aufschlüsselung von WiMis außerhalb der Fakultäten nach den verschiedenen zentralen Organisations-Einheiten wie z. B. dem Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) oder dem Universitätskolleg erfolgen.
Angemerkt wurde zudem, dass es sinnvoll wäre, auch für den Drittmittelbereich Kennzahlen über die reine Anzahl hinaus zu definieren. Entscheidend ist ohnehin das Verhältnis von befristeten Qualifikations- zu unbefristeten Dauer-Stellen.
Was ist eine Daueraufgabe?
In einer „Vereinbarung zur zukünftigen Erfassung der in der AG Code of Conduct erarbeiteten Ziele“ vom 21.6.2017 werden die in der Ds. 20/10837 genannten Vereinbarungen aus dem Code of Conduct weiter konkretisiert. Dort heißt es: „Die Hochschulen verpflichten sich, jede freiwerdende Stelle vor ihrer Neubesetzung auf ihre Dauerfunktion zu prüfen. Für strukturelle Daueraufgaben werden an den Hochschulen Dauerstellen geschaffen. Zusätzlich entwickeln die Hochschulen eine Prozessbeschreibung, dass und wie sichergestellt wird, dass jede freigewordene Stelle vor ihrer Neubesetzung auf Dauerfunktion geprüft wird.“ Dieser Verpflichtung haben sich die Hochschulen bisher leider entzogen und verstecken sich lieber hinter schwer zu interpretierenden Kennziffern und Zahlenbergen. Oder es wird damit argumentiert, dass die zukünftige Struktur noch unklar ist: in der Fakultät Erziehungswissenschaft der Uni Hamburg ist dies ein häufig gebrauchtes (Schein)argument, um Stellen mit Daueraufgaben doch wieder befristet zu besetzen.
Der CoC-Prozess geht weiter
Der TOP Berichte musste in der letzten Sitzung der AG CoC abgebrochen werden, da die Zeit nicht mehr ausreichte. Die anderen drängenden Fragen (insbesondere zur Kettenbefristung) wurden daher nicht mehr behandelt. Diese und alle noch fehlenden Diskussionspunkte sowie die nicht mehr behandelten Tagesordnungspunkte wurden auf eine Folgesitzung vertagt, die für Ende September anberaumt wurde. Wir werden nicht lockerlassen, um vom Job-Trauma zum Traumjob Wissenschaft zu kommen.
Fredrik Dehnerdt, stellv. Vorsitzender GEW Hamburg
Foto: GEW HV/Thinkstock