Zwar ist das neue Jahr schon ein paar Tage alt ist, dennoch sehen wir Vorsitzenden uns einmal an einigen Beispielen den bildungspolitischen Start in Hamburg an.
Zentralabitur = zentrale Notenvergabe?
Hamburgs Schulbehörde verordnet dem Abiturjahrgang eine Mathematikklausur unter Zentralabiturbedingungen mit entsprechenden Aufgaben und reagiert nach dem Ergebnis wie gewohnt mit zentralen Anweisungen. Die BSB verordnet eine Reihe von Maßnahmen, die unweigerlich zu Mehrarbeit an den Schulen führt, ohne die personalrätliche Mitbestimmung dabei zu beachten. Zum anderen sollen Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern beruhigt werden, indem nun auch die Noten zentral vergeben werden: der Notendurchschnitt für alle beteiligten Schülerinnen und Schüler soll um drei Punkte bzw. um eine Note verbessert werden. Mit den verordneten Maßnahmen wird wieder kurzfristig reagiert. Solange aber in Deutschland und eben auch in Hamburg die schulischen Leistungen und das Erreichen von Abschlüssen immer noch von der sozialen Herkunft abhängen, laufen alle jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen langfristig ins Leere!
Außerdem berücksichtigt das Zentralabitur, wie andere zentralen Prüfungen und Tests, die die Leistungen in einem Ranking abbilden, gerade nicht die unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Zentrale Prüfungen und stete Tests bringen mehr Prüfungsdruck, verbessern aber nicht die Chancen für Hamburger Schülerinnen und Schüler! Eine langfristige Schul- und Unterrichtsentwicklung, die zu besseren Lernbedingungen der Schülerinnen und Schülern führt, wird so nicht eingeleitet.
Senator Rabe selbst war es, der 2012 als KMK-Präsident die Einführung des Zentralabiturs mit betrieben hat und jetzt als Primus unter den Bundesländern – am besten noch vor Bayern – mit tollen Abiturergebnissen glänzen will. Die Schülerinnen und Schüler und die Kollegien, die es jetzt kurzfristig wieder richten sollen, haben darunter zu leiden, dass in den letzten fünf Jahren keine differenzierten Analysen nach Schulen und ihrer Klientel für eine andere Unterrichtsentwicklung gesorgt haben. Außerdem wäre eine andere Stadtentwicklungs- und Sozialpolitik von Nöten, um den Grundwiderspruch – dass Leistungen so stark mit der sozialen Herkunft korrelieren - in einer reichen Stadt wie Hamburg anzugehen.
DV Ganztag – Fluch oder Segen?
Fast zehn Jahre wurde zwischen der Behörde und dem GPR über eine Dienstvereinbarung über den
Einsatz von Lehrkräften in Ganztagsschulen (GTS) verhandelt. Mehrfach gab es aus dem GPR Signale, dass es nun bald zu einer Unterzeichnung käme. Doch immer wieder wurde dies verschoben. Auch die GEW-Vorsitzenden wurden immer wieder nach dieser Dienstvereinbarung gefragt. Sowohl die Schulleitungen wollten eine Richtschnur haben, wie sie die Lehrkräfte unter den neuen Bedingungen einsetzen können, als auch die Kolleginnen und Kollegen haben immer wieder angefragt, wann ihr Einsatz denn endlich geregelt wird. In der GEW-Rechtsberatung gab es immer wieder Nachfragen, ob dieser oder jener Einsatz denn rechtens sei. Der Einsatz einer Lehrkraft mit einer 100%-Stelle von 29 Unterrichtsstunden, plus elf Springstunden und keinem Arbeitsplatz in der Schule bildet ein besonders krasses Beispiel der Einsatzplanung.
Am 18.11.2016 wurde unterschrieben und auf einer Personalrätekonferenz Ende November hat die GEW erste Informationen an die schulischen Personalräte weitergeben können. Der GPR hat mit einem Sonderinfo zur Dienstvereinbarung (DV) bis zur Veröffentlichung durch die Behörde im Intranet gewartet. Aber die Behörde hat weiterhin keine Anstalten gemacht, die Schulleitungen ihrerseits zu informieren. So ist es an vielen Schulen dazu gekommen, dass die Leitungen und die Kollegien durch das Info des GPR über die DV informiert wurden. Der Dienstherr, die BSB, ist hier seinen Aufgaben gegenüber den Schulleitungen nicht nachgekommen. In den vergangenen Jahren haben viele Schulen z.T. eigene Dienstvereinbarungen über den Einsatz der Lehrkräfte mit dem jeweiligen schulischen Personalrat abgeschlossen oder gemeinsam mit den Kollegien Modi gefunden, die eine gemeinsame Arbeit im Ganztag geregelt haben. Aber es gab auch immer noch eine Reihe von Schulen, die die bisher bestehenden Regelungen und Anweisungen, die in der jetzigen DV zusammengefasst sind, nicht beachtet haben. Aus unsrer Sicht muss die DV natürlich auch an Gymnasien gelten.
Den Vorwurf, auch an den GPR, dass die DV nicht die aktuellen Bedingungen und Entwicklungen in der Pädagogik von Ganztagsschulen berücksichtigt, möchten wir mit Hinweis auf die Länge der Verhandlungen – „Lückenstunden“ sind heute sicher kein angemessener Begriff mehr - und mit dem Verweis auf den eigentlichen Zweck der DV, nämlich dem Schutz der Kolleginnen und Kollegen, zurückweisen. Zudem möchten wir auf drei Sätze aus der Präambel hinweisen, die eine gewisse Flexibilität für Schulorganisation und einzelnen Belangen von Kolleginnen und Kollegen entgegenkommt: „Schulen beachten diese Dienstvereinbarung bei der Einsatzplanung der Lehrkräfte, soweit dringende schulische Organisationsnotwendigkeiten dem nicht entgegenstehen. Im Einvernehmen mit der Lehrkraft sind abweichende Einsatzplanungen für ein Schuljahr möglich. Über diese abweichenden Regelungen ist der schulische Personalrat zu informieren.“
Aus unsrer Sicht wird am Beispiel des Einsatzes von Lehrkräften an Ganztagsschulen folgendes Grundproblem deutlich: Aufgaben und Arbeitszeit von Lehrkräften (und auch anderem Personal) sind nicht mehr kompatibel. Die einer (Ganztags-)Schule von der Behörde zugewiesenen Aufgaben und die zusätzlich von Eltern, Schülerinnen und Schülern und häufig auch aus pädagogischer Sicht erwarteten Leistungen, um eine gute Ganztagsschule umzusetzen, sind mit der jetzigen Ausstattung an Ressourcen, insbesondere an Zeit und Raum, nicht machbar. Die Kritik muss sich an die richtige Adresse richten und sollte nicht den Überbringer der Botschaft in den Fokus stellen. Solange die Reformen an Hamburger Schulen - Ganztag und Inklusion seien hier stellvertretend für weitere genannt – ohne angemessene Ausstattung betrieben werden, müssen wir immer wieder auf der Hut sein, uns nicht gegeneinander - Leitung gegen Kollegium, Lehrkräfte gegen anderes pädagogisches und nichtpädagogisches Personal, Personalvertretung gegen… usw. – ausspielen zu lassen. Lasst uns gemeinsam an die richtige Adresse unsre Kritik richten!
Dienstzeitregelung für das pädagogisch-therapeutische Fachpersonal (PTF-Personal) an Schulen – Anweisung oder mit Beteiligung fair verhandelt?
Seit der Abschaffung der Integrationsklassen zugunsten der flächendeckenden Inklusion und der Einführung der flächendeckenden Ganztagsbetreuung für alle Kinder bis 14 Jahre im Jahr 2010, greifen viele Regelungen der bisherigen Dienstzeitregelung (DZR) nicht mehr. Zur Folge hat dies, dass jede Schule das PTF‐Personal unterschiedlich – und nicht immer rechtskonform – einsetzt. Fachliche Maßstäbe und berufsspezifische Standards werden dabei häufig den Nöten und Zwängen des schulischen Alltags untergeordnet. Kolleginnen und Kollegen bis an die Grenze der Belastbarkeit von Schulleitungen verplant. Nur aufgrund gewerkschaftlichen Drucks und der Hartnäckigkeit des Gesamtpersonalrats hat sich die BSB bewegt und nach über fünf Jahren regelungsunklarer Zeit einen eigenen Entwurf für eine DZR für das PTF-Personal vorgelegt. Kern des BSB‐Modells ist die Aufteilung der Arbeit der SozialpädagogInnen, TherapeutInnen , ErzieherInnen, HeilerziehungspflegerInnen und weiterer pädagogischer bzw. therapeutischer Berufsgruppen an Schulen in drei unterschiedliche Bereiche: K‐Zeit, B‐Zeit und sogenannte V/N‐Zeit.
Hierbei steht K‐Zeit für Kooperation, Koordination und Kommunikation, B‐Zeit für Bildung, Begleitung, Beratung, Betreuung und Behandlung und die V/N‐Zeit für die Vor‐ und Nachbereitung. Die Krux liegt vor allem im Detail. Insbesondere die Zeitkontingente der einzelnen Bereiche lösen Empörung aus. Die GEW fordert eine DZR, die die unmittelbare Arbeit am Klienten dahingehend begrenzt, dass Zeitkorridore für die mittelbaren Tätigkeiten, Supervision, für Koordination, Vor‐ und Nachbereitung, Telefonate und Elterngespräche etc. in einem Ausmaß zur Verfügung stehen, die einem professionellen Anspruch gerecht werden.
Die GEW hat im Oktober das Gutachten von Prof. (em.) Dr. Krüger vorgestellt und der Behörde zukommen lassen. Prof. Krüger kritisiert gerade die Deprofessionalisierung und die Gleichmacherei aller unterschiedlichen Berufsgruppen und Einsatzgebiete des Behördenentwurfs der DZR. Den Behördenspitzen ist deutlich geworden, dass der Wunsch von Senator Rabe, das gesamte PTF-Personal zeitlich mit 80% „am Kind“ einzusetzen, wissenschaftlich und damit auch in Schlichtungs- und Einigungsverfahren wenig Aussicht auf Erfolg hat.
Nun verfällt die Behörde wieder in ihren bereits bekannten Anweisungsstil, negiert den vollen Umfang der Mitbestimmung ihres vorgelegten Entwurfs der DZR und will nicht mehr über die wesentlichen Bereiche der DZR verhandeln, sondern per Anweisung verfahren. Die GEW bleibt dabei, dass über die DZR des PTF-Personals fair verhandelt werden muss und unterstreicht noch einmal die Forderung danach, das PTF-Personal nicht als Lückenfüller zu missbrauchen, sondern in Bezug auf die Anforderungen an ein modernes, inklusives Schulsystem das PTF-Personal so einzusetzen und auszustatten, dass unter guten Arbeitsbedingungen die erfolgreiche Erfüllung des Bildungs‐ und Erziehungsauftrags gewährleistet ist.
Reform der LehrerInnenbildung – breite Beteiligung oder Twitterdemokratie?
Nachdem Senator Rabe im letzten Jahr eine ExpertInnenkommission zur Fortschreibung der Reform der Lehrerbildung in Hamburg eingesetzt hat, sind deren Empfehlungen am 18.1.2017 dem Senator übergeben worden. Die Beteiligung der Fachöffentlichkeit stellt sich die Behörde so vor, dass man sich die Empfehlungen selber aus dem Internet herunterlädt und wenn man dazu Anmerkungen hat, könne man an das E-Mail-Postfach: reformlehrerbildung@hamburg.de seine Stellungnahmen schicken, so antwortete der Senat auf eine Schriftliche Kleine Anfrage (Drucksache 21/7641) vom 27.1.17. So sieht eine breite Beteiligung der Kollegien, der unterschiedlichen Verbände und auch der GEW nicht aus. Ein Ins-Gespräch-Kommen, eine Diskussion mit allen Beteiligten über die Weiterentwicklung der LehrerInnenbildung ist vom Senator auch gar nicht gewünscht, schon bevor die ExpertInnenkommission die Arbeit aufgenommen hat, hat Senator Rabe den Kurs vorgegeben, wo es hingehen soll. Ein eigenes Grundschullehramt und eine Teilung in Stadtteil- und Gymnasiallehramt wurden von ihm verlangt. Der Landesvorstand der GEW hat am 17.1.2017 Prüfsteine für die Reform der Lehrerbildung (http://www.gew-hamburg.de/themen/schule/gew-pruefsteine-fuer-eine-reform...)verabschiedet und außerdem werden wir mit anderen Verbänden und Interessierten der Fachöffentlichkeit Veranstaltungen planen, um eine öffentliche Diskussion zu diesem Thema anzuregen.
Bessere Bezahlung für Grundschulleitungen – und als nächster Schritt bessere zeitliche Ausstattung der Leitungen?
Senator Rabe will mit einer Gesetzesinitiative dafür sorgen, dass die Leitungen der Grundschulen – auch kleinerer – mindestens mit A14 besoldet werden und damit ca. 250 Euro mehr bekommen. Ebenfalls sollen die Stellvertretungen eine Zulage von ca. 190 Euro bekommen (A13-Z).
Die GEW begrüßt diesen Schritt, denn diese Erhöhung ist längst fällig. Ganz gleich wie viele Schülerinnen und Schüler eine Schule hat, so muss die selbst verantwortete Schule pädagogisch und organisatorisch geleitet werden. Eine besondere Ungerechtigkeit liegt an den Schulen vor, die durch einen niedrigen Sozialindex geringere Klassenfrequenzen haben und damit nicht auf die ausschlaggebenden 230 Schülerinnen und Schüler an ihren Schulen kommen.
Die jetzt auf den Weg gebrachte Gesetzesinitiative kann aber nur den Anfang der Wertschätzung von Schulleitungen bilden. Bereits im Frühjahr 2015 sind wir an Senator Rabe mit der Forderung herangetreten, den Schulleitungen – und zwar allen Schulleitungen – auch die entsprechende Zeit für ihre Arbeit zuzuweisen. Die wirklich benötigte Arbeitszeit für Schulleitungen muss zusätzlich zugewiesen werden. Gleichzeitig haben wir als konkreten Einstieg in eine Arbeitszeitentlastung für Hamburger Lehrkräfte gefordert, dass sie nicht mehr als 75% der Arbeitszeit für Unterricht eingesetzt werden. Die 75% Arbeitszeit für Unterricht (U-Zeiten) sollen mit jedem Schuljahr weiter reduziert werden, bis unsere Zielzahlen erreicht sind. Darauf aufbauend erwarten wir weitere Entlastungen.
Also, gute Initiative des Senators für die Leitungen kleinerer Grundschulen, aber ohne Arbeitsentlastung ist dies nur ein halber Schritt.
Die beste Nachricht zum Jahresanfang ist die Anmeldung der Volksinitiative „Gute Inklusion für Hamburgs SchülerInnen“! Wir unterstützen sie! Ihr findet hier in der Ausgabe weitere Hinweise, wie und warum ihr dies unterstützen sollt.
Anja Bensinger-Stolze, Fredrik Dehnerdt, Sven Quiring