Bei der Veranstaltung „Schule und Corona: Auswirkungen auf sozial benachteiligte Schüler_innen“ vom Bildungsclub hielt die GEW Hamburg Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze ein Grußwort.
"Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter des Bildungsclub, liebe Kolleginnen und Kollegen,
dies ist nach dem Beginn der Corona-Pandemie die erste mehr oder weniger öffentliche Veranstaltung, die im Curiohaus – Kleiner Saal stattfindet. Herzlich Willkommen zu dieser besonderen Veranstaltung! Man könnte von einer kleinen Premiere sprechen, wenn die Umstände, unter denen wir dies durchführen, nicht auch immer ein leichtes Unwohlsein mit sich bringt. Damit wir an diesem Abend möglichst wenig von dem beschriebenen Unwohlsein spüren, bitte ich alle sich an die bekannten Hygieneregeln zu halten. Danke!
Für die Durchführung dieser Veranstaltung in diesen Räumen habe ich mich als Vorsitzende der GEW noch einmal besonders verwendet, weil es zeigt, dass für uns die Frage nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler ganz weit oben steht. Dass diese Schülergruppe vom völligen Lockdown und der Umstellung auf den Fernunterricht besonders schwer betroffen war, hat die GEW schon vor den Sommerferien dazu veranlasst, die Pädagogik bei der weiteren Schulöffnung in den Mittelpunkt zu stellen. Bekanntlich hat aber die Kultusministerkonferenz (KMK) und auch der zuständige Senator in Hamburg auf die Durchführung von Prüfungen und Abitur bestanden. Damit sind bestimmte Schülerinnen- und Schülergruppen gar nicht oder nur sehr spät vor den Sommerferien wieder in der Schule gewesen. Deutlich wurde den Pädagoginnen und Pädagogen in Hamburg, wie gut es den Schülerinnen und Schülern getan hat, den persönlichen Kontakt in kleineren Gruppen wieder aufzunehmen. So war eine intensive pädagogische Arbeit möglich, die den Lehrkräften erlaubte, ganz gezielt auf die Lernenden einzugehen. Die positiven Rückmeldungen aus den Schulen zu diesem Unterricht in kleinen Gruppen haben wir zum Anlass genommen, noch vor den Ferien einige Eckpunkte für die Schule nach den Sommerferien zu entwickeln. Aus unserer Sicht wäre es gut gewesen, das soziale Lernen und die Schule als sozialen Ort in den Mittelpunkt zu stellen und mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam einen Weg zu beschreiten, die Erfahrungen aus der Corona-Zeit zu verarbeiten.
Auf dieses Ansinnen und auch unser Gesprächsangebot über eine mögliche Umsetzung unserer Vorstellungen ist der Senator nicht eingegangen. Dass nach den Ferien auch andere Gruppen diese Ideen aufgriffen und weiter entwickelten, ging der Behördenleitung mächtig gegen den Strich. Es führt aber dazu, dass sich nun auch der Senator wieder mit dem Thema der „sozialen Spaltung im Bildungswesen“ beschäftigt. Eine Analyse nimmt der Senator allerdings nicht vor, sondern hat den Schuldigen sofort ausgemacht: die GEW! In einem Brief schreibt der Landesschulrat an mich, dass der Senator es „absolut unverständlich“ findet, nicht sofort nach den Ferien zum Regelunterricht zurückzukehren. „Wer den Regelunterricht in voller Stundenzahl ablehnt, der fördert die soziale Spaltung im Bildungswesen.“ Dieser Vorwurf ist an Absurdität kaum zu überbieten!
Corona lässt die bisherigen Probleme wie unter einem Brennglas erscheinen. Sie drängen sich geradezu auf und wir sollten deshalb die Chance ergreifen, über die Zukunft von Schule für benachteiligte Schülerinnen und Schüler zu sprechen. Natürlich immer auch eingedenk dessen, dass eine veränderte Schule alleine nicht die Lösung sein kann. Aber sie kann wesentliche Voraussetzungen schaffen, um mehr Bildungsgerechtigkeit herzustellen!
Vielen Dank an Sigrid Strauss und Klaus Bullan, die seit 2014 mit anderen zusammen nicht aufgeben und das Thema weiter bewegen! Vielen Dank und eine gute Diskussion wünsche ich uns allen!"
Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende GEW Hamburg