Seit 2015 beschäftigt sich der Vorstand der Betriebsgruppe Ruheständler_innen der GEW Hamburg, insbesondere Jutta Jaensch, Jutta Staack und Dr. Bettina Wehner, mit dem Thema Strafsoldaten. Am 2. Februar 2017 gab es dazu ein Gespräch in Neuengamme mit dem Leiter der Gedenkstätte Neuengamme, Herrn Dr. Detlef Garbe, und Dr. Oliver von Wrochem und Claudia Bade aus seinem Team.
Ziel des Gespräches sollte es für uns von der GEW sein, die Historiker davon zu überzeugen, dass auch die 999er Strafsoldaten eine Opfergruppe des NS-Regimes sind, derer am Lohseplatz gedacht werden sollte; auch Hamburger Strafsoldaten wurden vom Hannoverschen Bahnhof aus deportiert, nicht nur jüdische Mitbürger und Roma und Sinti.
Fakt ist, dass die Strafsoldaten bisher weder auf der Gedenktafel noch in der Dokumentation gewürdigt werden.
Nachdem vor einigen Jahren endlich auch die Deserteure ein Denkmal bekommen haben, und zwar am Stephansplatz, ist es an der Zeit, das schwere Schicksal der Strafsoldaten angemessen zu würdigen. So hat die Forschungsgruppe Neuengamme inzwischen beschlossen, die Strafsoldaten in ihre Dokumentation einzubeziehen. Der Makel einer sozial diskriminierten und in toto kriminalisierten Gruppe haftet ihnen aber bis heute an, obwohl viele von ihnen als Systemgegner gehandelt haben. Das Problem, diese Gruppe angemessen zu würdigen, besteht darin, dass man sie von Anfang an totgeschwiegen hat. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland passten sie sehr bald nicht mehr in das antisozialistische Staatsbild der Adenauer-Zeit. In der DDR war die Geschichte der Strafsoldaten zwar noch präsent und bei den Angehörigen auch, aber die offizielle bundesdeutsche Geschichtswissenschaft meinte, ohne dies Kapitel auskommen zu sollen.
Wir aus der GEW setzen uns dafür ein, dass die Strafsoldaten doch noch eine angemessene, wenn auch späte Würdigung erfahren. Das ist wie gesagt nicht ganz einfach, weil die Geschichtswissenschaft nicht rechtzeitig reagiert hat und die Lücken mit den schwindenden Zeitzeugen immer größer werden. Auch Herr Dr. Garbe sieht in diesen Zusammenhängen mögliche Gründe für die fehlende Aufarbeitung der 999er Soldatenschicksale.
Wir kamen im Gespräch mit den Historikern von der Gedenkstätte Neuengamme auch auf den Begriff „Deportation“ zu sprechen. Die deutschen Historiker sehen den Begriff nur dann als gegeben an, wenn die ausgegrenzten Menschen direkt in Todeslager verbracht wurden. Das sei bei den Strafsoldaten nicht der Fall, da sie vor ihrem Einsatz an der Front noch eine wie auch immer geartete militärische Ausbildung bekamen. In der Folge hätten sie noch eine Chance gehabt zu überleben. Wir finden diese Auslegung des Begriffs sehr eng. Auch Herr Dr. Garbe fand eine etwas weitere Auslegung von „Deportation“ bedenkenswert, zumal diese sich auch außerhalb des deutschen Sprachraums finde. Wir von der GEW gehen davon aus, dass insbesondere die jüdischen Vereinigungen Schwierigkeiten haben, diesen erweiterten Begriff anzuerkennen.
Es ist uns also mit den Wissenschaftlern der Gedenkstätte Neuengamme, die auch für das Dokumentationszentrum beim Hannoverschen Bahnhof zuständig sind, die Kontaktaufnahme gelungen.
Wir werden weiter recherchieren und konkret für einen Stolperstein aus dem Personenkreis der 999er Strafsoldaten sorgen. Vielleicht kann auch eine Kontaktaufnahme zum VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) weiterhelfen. Die Zeitzeugen werden rar. Ludwig Baumann, der letzte Deserteur, ist 95 Jahre alt.
Wichtig ist es, den Kontakt zur Forschungsstelle Neuengamme zu halten. Auf jeden Fall ist es noch ein schwieriger Weg bis hin zu einer angemessenen Würdigung der 999er Strafsoldaten. Ein spezielles Denkmal ist keineswegs spruchreif.