Arbeitszeitstudie Newsletter #13

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alle was zählt

Arbeitszeitstudie, Woche 25:

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

nur wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt meldet sich die neue Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) zu Wort. Ihr Thema, kaum verwunderlich: Lehrergesundheit. „Wir werden in Kürze ein Gesundheitsprojekt für Lehrkräfte starten: Wie komme ich gesund durch den Beruf – angefangen beim Referendariat über das gesamte Berufsleben.“ (Laut Hamburger Abendblatt vom 1.4.24). Guter Start! Das hört sich gut an.

Erfreulich, mit der Lehrergesundheit scheint es der neuen Senatorin ernst zu sein: „Wenn die Arbeitsbedingungen als attraktiv wahrgenommen werden, kann das die Zahl der Frühpensionierungen senken ebenso wie den hohen Anteil an Teilzeitkräften. Das kann den Druck aus der Gewinnung von Nachwuchslehrkräften mindern. (H.A. 1.4.24) Aber hier sollte man stutzig werden: Offensichtlich scheint es ihr nicht primär – wie uns in der Arbeitszeitstudie  – um die realen Arbeitsbedingungen zu gehen, sondern eher darum, ob sie „als attraktiv wahrgenommen werden“. Sollen wir das jetzt so verstehen, dass es in erster Linie auf die (positive) Einstellung der Lehrkräfte zu ihrem Job ankommt?

Am 26.6.2024 startete die Hamburger Schulbehörde das Projekt Personalgesundheit in der Schulbehörde mit einer Kick-off Veranstaltung im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI). Eingeladen waren alle Schulleitungen der über 400 Hamburger Schulen, Vertreter*innen von Instituten, Ämtern und Dienststellen.

Das Projekt soll am 1. August 2024 starten und enden am 31. Juli 2026. Nach ihren Worten will sich die Senatorin den Herausforderungen stellen: „gestiegene Fehlzeiten der Beschäftigten nach Corona, sowie insgesamt eine Zunahme psychischer Erkrankungen, gestiegene Herausforderungen durch eine Veränderung der Schülerschaft, Altersanstieg bei den Beschäftigten, veränderte Anforderungen der Beschäftigten (z.B. Teilzeit, Home-Office etc.) sowie der Fachkräftebedarf (Bewerberzahlen, Teilzeit, Frühpensionierung, gestiegene Schülerzahlen u.a.)“. Richtig! Genau darum geht es auch nach unserer Auffassung. Doch wie will sich die Senatorin dieser Herausforderungen annehmen?

Dazu erklärt die Schulbehörde in einer Pressemitteilung vom 26.6.2024: „Die Gesundheit der Beschäftigten zu stärken und zu fördern und eine Salutogenese (Rahmenprozess zur individuellen Entwicklung und Erhaltung von Gesundheit durch zielgerichtete Maßnahmen sowie Prüfung vorhandener und Entwicklung neuer Prozesse und Strukturen) zu entwickeln“.

Zur wissenschaftlichen Begleitung hat die Schulbehörde den renommierten Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Badura (Universität Bielefeld) hinzugezogen. Auf der Kickoff-Veranstaltung am LI stellte Prof. Badura zur Lösung der Probleme sein „ganzheitliches Gesundheitsmanagement“ vor.

So weit, so gut. Doch wir fragen uns: Können die genannten Herausforderungen wie psychische Erkrankungen oder Fachkräftemangel an den Hamburger Schulen tatsächlich mithilfe einer „Salutogenese“, die sich jeweils individuell auf die einzelne Lehrkraft beziehen soll, bewältigt werden? Wie soll ein Gesundheitsmanagement erfolgreich sein, wenn systemische Faktoren (wie Arbeitszeitbelastung, Personalknappheit, Digitalisierung usw.) nicht in Angriff genommen werden sollen?

Wir meinen: Sicher, es geht um die Erhaltung der Personalgesundheit. Aber kann das funktionieren, ohne dass wir uns mit den systemischen Problemen als Ursachen befassen? Die laufende Arbeitszeitstudie weist hier in die richtige Richtung. Sie erfasst im Schulbetrieb die gesundheitlichen Belastungen. Mit ihren Ergebnissen lassen sich wirksame Lösungen finden.

Also, bleibt am Ball! Bitte zählt auch in den Sommerferien, in der unterrichtsfreien Zeit, weiterhin eure Arbeitsstunden. Viel Erfolg dabei!

Wir wünschen euch eine gute Erholung und eine schöne Sommerzeit!

Euer Projektteam

 

Statements zur Studie

Dorothea, GYM

Wie zufrieden bist du mit dem Verlauf der Arbeitszeitstudie?

Also ich hatte zuerst lange überlegt, ob ich überhaupt eine Studie mitmache, ich habe mein ganzes Lehrerleben lang für die Senkung von Arbeitszeit gekämpft und immer wieder das Thema angestoßen und jetzt ist es so: Ich bin jetzt Anfang/Mitte 60 und ich werde persönlich nicht mehr davon profitieren und das ist so eine Zusatzsache, "die dann auch noch“ und das macht mir inzwischen was aus.

Also was meine, ich bin nicht mehr so belastbar, und dann muss ich das immer noch parallel machen und dann vergesse ich es und wie viel "Zeit war das jetzt?“ Außerdem ist es ein bisschen gemogelt, weil ich jetzt meine Arbeit so organisiert habe mit der Schule das ich viel Parallelunterricht habe und häufig Sachen wiederholen kann.

Nachfrage: Was ist denn daran „gemogelt“?

Na ja, ich stütze mich jetzt auf die Arbeit, die ich vorher schon vorbereitet hatte und bereite vieles nicht mehr so gründlich vor. Ich habe dann auch teilweise vorbereitete selbstständige Arbeitsaufgaben noch aus der Coronazeit, – damals saß sich ohne Ende daran – die ich jetzt nur noch kurz aufbereite für den Präsenzunterricht, aber im Prinzip ist da nicht mehr soviel Arbeit drin wie ich da früher hineingesteckt habe, und das geht so in einigen Bereichen.

Nichtsdestotrotz werde ich langsamer beim Korrigieren. Ich habe neulich mal mit einer Kollegin darüber gesprochen, die viele Erfahrung, die Routine nützt auf der einen Seite natürlich sehr, da man schnell eingreifen kann und schnell ähnliche Lösung findet schnell von einem Thema zum anderen überleiten kann also mein Unterricht offener gestalten kann. Auf der anderen Seite werde ich immer gründlicher, also ich weiß überall immer mehr und sehe dadurch noch mehr wo es noch fehlt. Ich habe 2 Nebenfächer und ich finde es unheimlich anstrengend, das wird total unterschätzt.

Ich habe für jedes Fach 2 Stunden und anfangs, als ich von der Gesamtschule zum Gymnasium gewechselt bin da, hatte ich dann so viele Lerngruppen, wie ich sie noch nie an der Gesamtschule hatte und das finde ich unglaublich belastend. Das ist wie Fließbandarbeit, da hat man 2-stundenweise, sogar manchmal nur ein stundenweise immer eine neue Klasse, da wird man verrückt. Das finde ich hochgradig belastend, die vielen Kinder und die vielen Namen und du musst ja für alle immer ein gutes Wort haben und du musst dauernd Kämpfe ausfechten und "Nebenfächer, ja ist ja nicht wichtig, brauchst nichts zu tun" und solche Sachen, das ist schon ganz schon heftig.

Ich habe auch viel weniger Zeit zu einem Urteil zu kommen, zum Beispiel diese Zwischenstände die man jetzt, ich weiß nicht, ob es Hamburg spezifisch ist, aber ich finde die wirklich richtig blöd als Nebenfachlehrer, man muss da sozusagen nach 5/6 Doppelstunden schon bereits irgendwelche Noten aussprechen, die sie sich dann in den Schulplaner schreiben und das dann einklagen… Wenn man mit den Schülern das durchspricht dafür gehen dann schon 2 Doppelstunden drauf, dann muss man noch die Arbeiten vorbereiten, dafür gibt es gar kein so großes Zeitkontingent, ich kenne die ja auch nicht so gut wie als Hauptfachlehrer zum Beispiel.

Bist Du mit der Studienmethodik und der Erfassung klargekommen?

Das ist kein Problem. Auch die Multiplikatoren machen da gut.

Was erwartest Du von der Studie?

Ich erwarte schon das daraus abgeleitet werden kann, das es eine hohe Arbeitsbelastung ist, obwohl ich manchmal erstaunt bin, wenn ich meine Zeit zusammenzähle, das fühlt sich anders an.

Also die Belastung, die man hat durch diese ständigen Wechsel von Lerngruppen, durch die vielen Widersprüche die man erhält, die vielen Unterbrechungen am Tag, das wird natürlich gar nicht unbedingt in der Arbeitszeit abgebildet, sondern es ist eine psychische Belastung. Das wird erstmal so natürlich nicht abgefragt. Manchmal bin ich total aufgebaut, je nachdem wie die Schüler mitmachen, aber manchmal bin ich völlig fix und fertig. Und dann kann ich nicht gleich weiter arbeiten, dass es schon hart. Letztendlich ist es ja ein toller Beruf das will ich ja gar nicht anders sagen aber schon anstrengend.

Als ich einer Stadtteilschule (Gesamtschule) war, da hatte ich einmal 6 Klassen gehabt mit 24 Schülern, das war eine Ausnahme, man hat sich hochgradig bei mir entschuldigt, dass es eine Ausnahme ist. Als ich zur neuen Schule gegangen bin, hatte ich 13 Klassen, alle neu, also habe 360 Schüler in der Woche vorbeiflitzen sehen … und es gibt Lehrer die haben eine ungünstigere Fächerkombination als ich mit dem Fächer, wo man nicht 2 Fächer in einer Klasse haben kann, die haben teilweise 420 Schüler, und da wird man ja verrückt, dass meine ich mit Belastungsfaktor.

 

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