GEW zur Einstellung der Ausbildung von Lehrkräften für den Türkischunterricht an der Universität Hamburg

27. Januar 2015Von: WebredaktionThema: Hochschule und Forschung
Foto: © Dieter Schütz / pixelio.de

Mit Bestürzung und Unverständnis hat die GEW zur Kenntnis genommen, dass nach einer über zehnjährigen Praxis im Wintersemester 2014/15 keine neuen Studierenden für das Lehramt Türkisch an der Uni Hamburg aufgenommen worden sind und die Ausbildung eingestellt werden soll.

 

Mit dieser Maßnahme wird ein Studiengang abgeschafft, der wesentliche Voraussetzungen für die bilinguale deutsch-türkische Erziehung auch über den Hamburger Raum hinausgehend geliefert hat. Ohne die im Fach Türkisch qualifizierten Lehrkräfte können Kinder und Jugendliche ihre türkisch-deutsche Zweisprachigkeit nicht so weit ausbauen, dass sie auf einem anspruchsvollen bildungssprachlichen Niveau lesen und schreiben können. Türkisch im Abitur wird u.a. in München, Berlin, NRW und in Hamburg abgelegt. Für den Türkischunterricht werden Lehrkräfte benötigt, die die türkische Literatur kennen und studiert haben, die linguistische und didaktische Kenntnisse besitzen und sich mit Spracherwerbsprozessen von Schüler_innen, die in Deutschland aufwachsen, auseinander gesetzt haben.

 

Begründet wird die Entscheidung, den Studiengang Türkisch einzustellen vor allem damit:

-           Es studieren zu wenig Lehramtsstudenten Türkisch, so dass die Zahl der Studienplätze nicht ausgeschöpft wird.

Die Studierenden werden für zwei Unterrichtsfächer ausgebildet und sind deshalb in den Schulen flexibel einsetzbar. Trotz großer Nachfrage nach dem Studiengang Türkisch, gelang es nur teilweise die freien Plätze zu füllen, da die Zulassungskriterien zum Studium der anderen Lehramtsstudiengänge (im WiSe 13/14 lag der NC im Fach Deutsch bei der Abiturdurchschnittsnote von 1,6) zur Folge hatten, dass die zur Verfügung stehenden Plätze nicht alle vergeben werden konnten. Hier gilt es, besondere Zugangsregelungen zu schaffen, welche die besondere Situation der türkischsprachigen Bewerber_innen berücksichtigen.

 

-           Es gibt nur eine geringe Nachfrage in den Schulen.

Das Türkische als Teil des normalen Fremdsprachenangebots muss an den Schulen weiter gestärkt werden. Damit wäre eine Aufwertung des Türkischen, nach Deutsch mit mehr als drei Millionen Sprechern die am häufigsten in Deutschland gesprochene Sprache, die für Wirtschaft, Kultur und Politik zunehmend wichtig wird, verbunden. Es gilt die bildungspolitischen Ziele der Förderung von Zwei- und Mehrsprachigkeit offensiver zu vertreten. Wenn z.B. Lehrkräfte, die hier ausgebildet worden sind, die Beratung der Eltern und Schüler_innen übernehmen, dann wird auch Türkisch eher gewählt.

 

-           Die schlechte Ausstattung an der Universität mit Stellen gewährleistet keine qualitativ gute Ausbildung.

Auf der universitären Ebene bedarf es mittel- und langfristig eine der Bedeutung des Studiengangs angemessenen personellen Ausstattung, die ein Studium auf hohem Niveau ermöglicht.

 

Trotz der aktuellen Probleme ist es sinnvoll und notwendig, die Ausbildung von Lehrkräften für das Fach Türkisch, neben einem zweiten Unterrichtsfach, zu erhalten. Dafür spricht ihre gesellschafts- und integrationspolitische Bedeutung.

Bundesweit weisen annähernd 30% der Schülerschaft eine Zuwanderungsgeschichte auf und der Anteil von Schüler_innen, die zuhause ausschließlich oder vorrangig Türkisch sprechen, ist besonders hoch. Türkisch ist ein Teil der zweisprachigen Kompetenz der Schüler_innen, die in der Bundesrepublik aufwachsen. Neben einer daraus folgenden kommunikativen und sozialen Bedeutung des Türkischen, ist die Mehrsprachigkeit auch ökonomisch relevant, denn die türkische Sprache wird für Handelsbeziehungen und betriebliche Bedarfe immer wichtiger. Hierfür sind sehr gute, vor allem schriftsprachliche Fähigkeiten nötig, die nur in der Schule erworben werden können.

 

Die politische, gesellschaftliche und ökonomische Partizipation von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte steht im Fokus der bundesrepublikanischen Integrationsmaßnahmen. Dazu gehört, dass den Menschen ermöglicht wird, ihre Potenziale zu entfalten - Sprache ist eines der größten und wichtigsten Potenziale des Menschen. Wird der türkischen Sprache institutionell, also öffentlich, der Status einer Bildungssprache aberkannt, indem keine Lehrkräfte mehr ausgebildet werden, ist eine negative integrationspolitische Wirkung zu erwarten.

 

Der BAMA unterstützt den Protest, der sich gegen die Abschaffung des Lehramtsstudiums Türkisch an der Universität Hamburg wendet. Es geht darum, das Lehramtsstudium zu erhalten, weiter zu entwickeln und langfristig die personelle Ausstattung zu verbessern.

 

Stellungnahme des Bundesausschusses Migration, Diversität und Antidiskriminierung (BAMA) der GEW zur Einstellung der Ausbildung von Lehrkräften für den Türkischunterricht an der Universität Hamburg

 

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