Bleiberechtsausschuss der GEW Hamburg - wer wir sind und was wir machen

07. November 2014Von: WebredaktionThema: Bildungspolitik

Im Januar 2007 wollte die Ausländerbehörde mit Zustimmung des CDU Senats 150 afghanische Familien mit schulpflichtigen Kindern in ihr Heimatland abschieben. Zwei GEW – Kolleginnen, die SchülerInnen der Familien in ihren Klassen und Schulen hatten, begannen, sich zu wehren, vernetzten sich über die GEW mit anderen KollegInnen und Schulen, organisierten zusammen mit dem Flüchtlingsrat Hamburg eine Veranstaltung : Der Bleiberechtsausschuss der GEW Hamburg war entstanden.

Am 19.Februar trafen sich 1200 Menschen, viele Schülerinnen und Schüler mit Plakaten und bildeten eine Menschenkette um die Binnenalster unter dem Motto

Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen.„

Die Presse informierte ausführlich und am 13.3. teilte der Hamburger Senat mit, dass er die Ausreise für mindestens ein Jahr nicht vollziehen wollte.

In der Folgezeit traf sich der Bleiberechtsauschuss regelmäßig zusammen mit einigen SchülerInnen und Schulsprechern, die sich für ihre MitschülerInnen engagiert hatten, und einem Mitglied des Flüchtlingsrats Hamburg. Wir machten uns klug über die Abschiebepraxis und Gesetze und veröffentlichten z.B. ein Interview mit Rechtsanwalt Buschbeck zum Thema Abschiebung und Duldung in der HLZ ( Hamburger Lehrerzeitung ). Zu den bevorstehenden Bürgerschaftswahlen veranstalteten wir zusammen mit dem Schulsprecherteam der Erich- Kästner Gesamtschule am 18.01. 2008 eine Veranstaltung mit Kandidaten „ Chancen für eine humane Flüchtlingspolitik in Hamburg? „ und zeigten den Film der Aktion vom Jahr davor. Und natürlich berichteten wir darüber in der HLZ.

Die nächste Bürgerschaft war Schwarz – Grün. Im März erfuhren wir durch den Flüchtlingsrat von der Trennung einer armenischen Familie, die bereits 8 Jahre in Hamburg lebte. Der Vater wurde im Morgengrauen zusammen mit zwei seiner Kinder von Polizisten abgeholt und ins Flugzeug nach Armenien gesetzt, die Mutter mit dem jüngsten Kind blieb in der Wohnung, weil es keine Geburtsurkunde für das Kind gab. Die beiden abgeschobenen Kinder gingen in die Heinrich – Hertz Gesamtschule. Zusammen mit ihren MitschülerInnen starteten wir eine Unterschriftenaktion an den Hamburger Senat und organisierten eine Demonstration „ Kommt zurück! „ zur Schulbehörde. Da gerade Koalitionsverhandlungen liefen, bekamen wir Aufmerksamkeit von der Presse mit der Forderung, dass keine Familie bei der Abschiebung getrennt werden darf und der Vater mit seinen beiden Kindern wieder zurück nach Hamburg gebracht werden muss. Die Schülerinnen aus dem Bleiberechtsauschuss verfassten ein Flugblatt und wir sammelten auf dem Stadtteilfest Altonale über 800 Unterschriften. Mit Hilfe von Fluchtpunkt, einer Flüchtlingsberatungsstelle der ev. Kirche und einer sehr aktiven Freundin der Familie und dem Handykontakt zu der abgeschobenen Schülerin durch ihre Freundinnen hielt sich der Widerstand. Es gab z.B. eine Demonstration von MitschülerInnen vor der Ausländerbehörde zur Tagung der Härtefallkommission. Am 30. August 2008 kehrten Liana, 14 und Grischa, 10 aus Armenien zurück nach Hamburg, jedoch ohne den Vater. Sie gehen wieder in ihre alte Schule und in der HLZ erschien ein Interview mit ihnen und ihren Mitschülerinnen. Eine Veranstaltung des Flüchtlingsrats mit LehrerInnen aus Frankreich und einem Vertreter der Gruppe „Sans Papier" „ machte uns darauf aufmerksam, dass in der Großstadt Hamburg viele Kinder ohne Zugang zum Schulunterricht leben. In der HLZ brachten wir ein Interview. Zu der Zeit war Christa Götsch von den GRÜNEN Schulsenatorin und am 25.05.2009 verabschiedete die Landesvertreterversammlung einen Antrag aufDas Recht auf Bildung für alle Kinder – auch für Kinder ohne Papiere".

Die Forderung „Kein Mensch ist illegal – Recht auf Bildung für alle Kinder" wurde in die „ Bildungsstreik „ – Forderungen aufgenommen. Ein Mitglied des Bleiberechtsausschusses hatte regelmäßig an den Vorbereitungstreffen teilgenommen und dort die Forderung eingebracht. Der Bildungsstreik forderte Verbesserungen im Bildungswesen und richtete sich u.a. auch gegen das Zentrale Schülerregister in Hamburg, das datenmäßig alle erfasste und für alle Behörden zugänglich war. Am 17.Juni 2009 demonstrierten 17 000 Studierende und SchülerInnen in Hamburg im Rahmen des bundesweiten Streiks. Wir hatten Erfolg: am folgenden Tag, am 18.Juni 2009 konnten wir auf der Veranstaltung von Bleiberechtsausschuss, Verdi und Ev. Kirche, die eine Broschüre zu den Lebensbedingungen der Menschen ohne Papiere herausgegeben hatte mit dem Titel „ Leben in der Schattenwelt „ , eine Verfügung der Bildungssenatorin Christa Götsch vom gleichen Tag verlesen. Sie verfügte, dass es keiner Meldebestätigung für die Schulanmeldung bedarf und dass die Daten von Kindern ohne Meldebescheinigung nicht an die Meldebehörde weiter gegeben werden dürften. Wir erstellten in mehreren Sprachen vor dem Einschulungstermin einen Aufruf an Eltern,„ Recht auf Schulbesuch.“ Für eine SchülerInnendemo zur Einführung der Primarschule druckten wir T Shirts „Ja zur Primarschule – auch für Kinder ohne Papiere." Es gibt immer noch Anfragen bei uns von Eltern nach Schulen, die Kinder ohne Papiere aufnehmen.

In der nächsten Zeit konzentrierten wir uns auf die Arbeit mit Roma Familien, die in die Gebiete von Exjugoslawien abgeschoben werden sollten. Ein Anstoß hierzu kam von der Fachgruppe Sonderpädagogik und vom Flüchtlingsrat Hamburg. Auf der BAMA Tagung im April 2010 hatten wir einen Antrag, der auch später vom Hauptvorstand verabschiedet wurde, eingebracht.“...für ein Bleiberecht der hier lebenden Roma“ und der Rücknahme des Kosovorücknahmeabkommens. Dazu organisierten wir zusammen mit der Fachgruppe Sonderpädagogik und dem Flüchtlingsrat Hamburg eine Veranstaltung, auf der u.a. Karin Waringo von Chachipe a.s.b.I. einen Vortrag hielt. Wir veröffentlichten ein Interview mit ihr in der HLZ. Auf diese Weise verbreiteten wir wieder unsere gewonnenen Kenntnisse auch über dieses Gebiet in die GEW Mitgliedschaft hinein. Ich denke, dass durch unsere kontinuierliche Information über unsere Arbeit in der HLZ ein großer Teil der GEW Mitglieder mit uns auf einem „ Wissensstand „ waren und spätere Anträge auf dem Gewerkschaftstag, Geldsammlungen, Unterschriftensammlungen und Beiträge von Betroffenen zu einer Selbstverständlichkeit wurden.

Wieder nahmen wir die Wahlen zur Bürgerschaft zum Anlass für eine Veranstaltung zum Bleiberecht am 16.02.2011 mit den Forderungen: „Bleiberecht statt Nötigung zur „freiwilligen" Ausreise am Beispiel der hier lebenden Roma, Dezentrale Unterbringung für Flüchtlinge : Wohnungen statt Lager". Diesmal gelang es, auch Betroffene in das Curiohaus zu bringen. Der Flüchtlingsrat hatte aus Anlass eines Hungerstreiks in der ZEA Norstorf/ Horst Kontakt mit fließend Deutsch sprechenden Roma aufgenommen. In der Folgezeit bildete sich eine Roma Unterstützer Gruppe, in der wir vertreten waren. Wir schrieben für 10 Familien mit und ohne schulpflichtige Kinder Petitionen an den Eingabeausschuss. Die Schule Mümmelmannsberg, in der 5 der Kinder zur Schule gingen, setzte sich aktiv für das Bleiberecht der Familien ein, das gesamte Kollegium verfasste Unterstützungsschreiben, es gab eine Luftballon Aktion auf dem Schulhof. Aber die Familien bekamen kein Recht, hier zu bleiben. Bis auf eine Familie sind alle Familien wieder zurück in Serbien oder Mazedonien, sie wurden gewaltsam abgeschoben oder gingen „ freiwillig“, um keine Ausreisesperre zu bekommen bzw. das Geld für den Flug zurückzahlen zu müssen. Zweimal reisten Mitglieder der Roma Unterstützergruppe nach Serbien und Mazedonien. Marily Stroux ( u. a. kein Mensch ist illegal ) erstellte im August 2011 die Broschüre „ Abgeschobene verschwinden nicht!“. Eine zweite Broschüre „ Freiwillige“ Ausreise oder es gibt keine Feen" dokumentiert die Tage von Kindern in ihrer Schule vor der Ausreise. Die Broschüren wurden vom Landesverband finanziell unterstützt und die zweite Broschüre an die Schulen verschickt.

Wir haben immer wieder Kontakt mit den LehrerInnen der Kinder aufgenommen, die z. B .Gutachten für Petitionen geschrieben haben. Nachdem die SchülerInnen wieder zurück in Serbien oder Mazedonien waren, ist soweit wir wissen der Kontakt größtenteils abgerissen. Wir sind etwas erschöpft von der Arbeit und der Erfahrung, wie gnadenlos der SPD Senat mit den Flüchtlingen umgeht. Den aus Italien Gekommenen Lampedusa in Hamburg, zu deren Demonstrationen die GEW mit aufgerufen hat, geht es nicht besser. Ein kleiner Lichtblick, eine Gruppe vom Jugendverband „ SJD Die Falken “ war im Sommer 2013 in Mazedonien bei einer Familie, deren zwei Kinder in einem ihrer Ferienlager auf einer Nordseeinsel waren und deshalb nicht abgeschoben werden konnten – nur der Vater wurde erst mal ins Flugzeug gesetzt. Die Mutter mit ihren vier Kindern reiste dann „ freiwillig „ aus. Die Falken haben ihre Reise dokumentiert und eine Ausstellung erstellt, die sie u.a. auf einer Romaveranstaltung im April hier in einer Hamburger Schule zeigten. Im August fahren sie nach Mazedonien und bauen zusammen mit der Familie ein Haus, nachdem sie hier Spenden für das Material gesammelt haben.